Gießener Burschenschaften im Vormärz

Prominenter Gießener Schwarzer: Christian Heinrich Sartorius (1796-1872).
Hier in typischer Kluft mit Barett.
copyright: Archiv und Bücherei der Deutschen Burschenschaft Koblenz

Die Geschichte der Studentenverbindungen in Gießen während der 1830er-Jahre zeichnet sich insbesondere durch zwei Hauptmerkmale aus: auf der einen Seite starke politische Umtriebe und Pflege revolutionären Gedankenguts und auf der anderen Seite ‚burschikoses‘ Brauchtum in Verbindung mit einem fast feudal anmutendem Standesdünkel. 

Hatten die verschiedenen Korporationen von Studenten in Gießen sich vor 1815 noch in der Tradition der alten Landsmannschaften befunden und sich unpolitisch gezeigt, so gründete sich nun mit den sogenannten Gießener Schwarzen eine Bewegung, die sich aktiv gegen die repressive und restaurative Politik dieser postnapoleonischen Ära richtete. Sie bildeten einen Gegenentwurf zum dominierenden Corpswesen, das sich im Kern lediglich durch eine „Rauf-, Sauf-, und Duellkultur“ (Gerhard Kurz) auszeichnete. Zudem wurden die Schwarzen von ihren Kommilitonen als Organisationsform nicht anerkannt und aktiv boykottiert. So schickte der Senioren-Convent der Ludoviciana im Jahr 1817 eine Liste mit Namen an seine Amtskollegen in Göttingen, die in dem Schreiben darauf hingewiesen werden, dass die dort Gelisteten von den Landsmannschaften in „Verschiß gethan“ wurden und somit auch in Göttingen als „Verschissene“ zu behandeln seien. Solches kam zu dieser Zeit einer Ächtung in der studentischen Gesellschaft gleich. Dieser Konflikt zwischen obrigkeitstreuen Corpsstudenten und revolutionär-republikanischen Burschenschaftlern sollte sich die nächsten Jahrzehnte fortsetzen.

Zudem waren burschenschaftliche Vereinigungen seit den Karlsbader Beschlüssen 1819 eben wegen ihrer radikalen politischen Ausrichtung offiziell verboten. Die ursprünglich 1818 gegründete Allgemeine Gießener Burschenschaft Germania vertrat in halblegaler Existenz jedoch weiterhin die nationalrevolutionären Ansätze der Gießener Schwarzen und beteiligte sich maßgeblich am Frankfurter Wachensturm 1833. Nach dessen Scheitern erfolgte zunächst eine taktische Auflösung und schließlich noch im selben Jahr eine Neugründung unter dem landsmannschaftlichem Tarnnamen Corps Palatia

Obschon sich diese Vereinigung durch ihr politisches Engagement von den anderen Verbindungen abhob, pflegte sie dennoch den Komment und „paukte scharf“, wie sich der ehemalige Palatier Carl Vogt später erinnern sollte. Somit wurden die Differenzen mit anderen Studenten häufig durch körperliche Auseinandersetzungen bereinigt. Schlägereien und Duelle waren an der Tagesordnung. 

Die Universität, die zu dieser Zeit über eine eigene Gerichtsbarkeit und Exekutive verfügte, richtete aus diesem Grund provisorische Gefängnisse ein, da die hierfür vorgesehenen Karzer überfüllt waren. Als sich die Palatia nach einer besonders heftigen Schlägerei mit Corpsstudenten im Februar 1834 aus Angst vor Sanktionen durch die Universität offiziell auflöste, beteiligten sich einige ehemalige Mitglieder jedoch weiterhin an politischen Umtrieben, wie der Verteilung verbotener Schriften, während andere sich lediglich als „lockerer Kneipverein“ reorganisierten. Obschon das rigorose Vorgehen der Universität das Verbindungswesen in den nächsten Jahren zunächst erfolgreich unterdrückte, so erfolgte doch schon 1839 die Neugründung des Corps Teutonia, das die alten Farben der Palatia übernahm und bis heute besteht.

Literaturverzeichnis:

Arnecke, Friedrich: Drei zeitgenössische Quellen aus den Tagen der Gießener Schwarzen. In: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins Gießen 21 (1914), S. 54-65. 

Fritz, Georg: Geschichte des Corps Teutonia zu Gießen. Gießen : Kindt 1939.

Hauschild, Jan-Christoph: Georg Büchner. Biographie. Stuttgart: Metzler 1993.

Kurz, Gerhard :„Der Freiheit eine Gasse.“ Spuren der Gießener Schwarzen in Büchners Dantons Tod. In: Spiegel der Forschung 292 (2012), S. 28 -34.

Wentzcke, Paul: Burschenschafterlisten. Geschichte und Mitgliederverzeichnisse burschenschaftlicher Verbindungen in Straßburg, Gießen und Greifswald 1814 bis 1936. Görlitz: C. A. Starke 1942.