Ludoviciana – die Gießener Universität

Die bis 1945 Ludoviciana genannte Universität Gießen wurde 1607 von Landgraf Ludwig V. von Hessen-Darmstadt gegründet. Im 17. und 18. Jahrhundert bestand sie wie für kleine Landesuniversitäten üblich aus vier Fakultäten: der Theologie, Jurisprudenz, Medizin und Philosophie. Im Laufe des 18. Jahrhunderts begann eine Modernisierung des Lehrinhalts und Lehrbetriebes. Justus Liebig setzte diesen Modernisierungsprozess im 19. Jahrhundert fort. Als Landesuniversität studierten an der Ludoviciana vor allem „Landeskindern“, bis 1860 hauptsächlich Beamtensöhne. 1829 erreichte die Universität durch die Eröffnung der Fakultät für katholische Theologie und der Beliebtheit Justus Liebigs ihre für lange Zeit höchste Studentenanzahl von 562.

Über Büchners Studienverlauf in Gießen sind nur wenige Belege erhalten. Er schrieb sich 1833 für Medizin ein, aber es gibt keine Belege für den Besuch medizinischer Veranstaltungen, abgesehen von vergleichender Anatomie bei Friedrich Werneknick. Stattdessen besuchte Büchner Veranstaltungen von Joseph Hillebrand über Logik und Naturrecht und allgemeine Politik. Sein Studienverlauf legt nahe, dass Büchner einen Abschluss in Medizin früh aufgab oder zumindest nicht mit Dringlichkeit verfolgte. Stattdessen konzentriert er sich auf Anatomie und Philosophie.

Die Universität Gießen politisch – Rechtsprechung als landesherrliches Machtinstrument

Vor allem in den 1830er Jahren war die Ludoviciana Mittelpunkt politischer Rebellion. Die Studentenschaft und Lehrenden waren in zwei politische Lager gespalten: die Konservativen, die die bestehende hessische Dynastie unterstützten, und die Gegner des Obrigkeitsstaates, die freiheitlich-national ausgerichtet waren. Diese Spaltung verschärfte sich durch die Karlsbader Beschlüsse (1819) sowie die weitreichende Einschränkung der Jurisdiktionsbefugnisse (1822). Dazu gehörte die Einsetzung eines Regierungsbevollmächtigten, der die Position des Universitätskanzlers einnahm und Studenten sowie Professoren überwachen sollte.

Universitätsrichteramt

In Gießen nahm die Position des Universitätskanzlers und zugleich Regierungsbevollmächtigten zuerst Franz Joseph Freiherr von Arens ein. Er verschärfte 1827 die Disziplinargesetze, wodurch unter anderem studentische Verbindungen verboten wurden.

Zusätzlich wurde 1831 als Reaktion auf die Unruhen, die der französischen Julirevolution folgten, das Universitätsrichteramt eingeführt. Unter dem ersten Universitätsrichter Konrad Georgi wurden Studenten für politische Aktivitäten verfolgt. Er war verantwortlich für Verhöre von Studenten zum Frankfurter Wachensturm und zur Verteilung politischer Flugblätter, insbesondere des Hessischen Landboten. Durch die Karlsbader Beschlüsse waren ihm dabei polizeiliche Methoden wie Verhöre, Bespitzelungen oder Hausdurchsuchungen erlaubt, wie sie auch bei Georg Büchner durchgeführt wurden.

Georgis Nachfolger Ludwig Trygophorus trat das Amt 1835 an. Seine Arbeit ist durch den Briefwechsel mit seinem Vorgesetzten, dem Universitätskanzler und Regierungsbevollmächtigten Justin von Linde, gut belegt. Im Gegensatz zu Georgi widmete sich Trygophorus mehr der Überwachung von Studenten statt deren Verfolgung. Eine seiner ersten Amtshandlungen war ein Ausbau der Universitätskarzer.

Er überwachte nicht nur Disziplinarverstöße der Studenten, sondern auch deren politische Aktivitäten und setzte auf Bestrafung durch Disziplinarmaßnahmen wie Geld-, Freiheits- und Ehrenstrafen.

Dazu gehörten unter anderem Einträge in das Schwarze Buch, in dem von der Zentraluntersuchungsbehörde auf Geheiß Metternichs Gerichtsverfahren und Informationen über Oppositionelle festgehalten wurden. Auch Büchner wurde darin wegen politischer Schriften und der „Teilnahme an hochverräterischem Komplott“ erwähnt.

                                                                        Ludwig Tygophorus an Justin v. Linde:                                                                 Gießen, 1. November 1835                                                                                                  Strenge ist im Carcer und in Beziehung auf den Carcer erforderlich, und die bisherige Erfahrung hat diese Strenge als sehr wohlthätig bewiesen.  [...]                                                               
                                                                                                          Felschow/Häderle: Im Visier der Staatsgewalt, S. 156.                                                                                                                                                                                                                                                                           

Literaturverzeichnis: 

Felschow, Eva-Marie und Irene Häderle: Im Visier der Staatsgewalt. Die Gießener Universität zwischen Revolution und Repression 1813 bis 1848. Dokumentation einer Ausstellung mit einem Werkstattbericht zum politischen Handeln von Frauen und einer Quellenedition von Verhörprotokollen und von Briefen des Universitätsrichters. Neustadt an der Aisch: Verlagsdruckerei Schmit 2015.

Moraw, Peter: Kleine Geschichte der Universität Gießen von den Anfängen bis zur Gegenwart 1607-1982. Gieße: Ferber’sche Universitäts Buchhandlung 1982.

Severin-Barboutie, Bettina: Universitäten. – In: Speitkamp, Winfried (Hrsg.): Handbuch der hessischen Geschichte. Bd. 2: Bildung, Kunst und Kultur in Hessen 1806-1945. Marburg: Historische Kommission für Hessen 2010, S. 48-96. 

Internetlinks:

Büchner-Portal: 1.3 Aufsätze: http://buechnerportal.de/aufsaetze/studien-in-giessen-und-darmstadt-18331835/ (Stand: 26.09.2019)

Justus-Liebig-Universität Gießen: www.uni-giesssen.de/ueber-uns/jlu/geschichtejlu (Stand: 26.09.2019)

Liebig-Museum, Gießen: https://www.liebig-museum.de/justus_liebig/ (Stand: 26.09.2019)