Gesellschaft der Menschenrechte
Die sogenannte Gesellschaft der Menschenrechte wurde von Georg Büchner im April 1834 in Darmstadt gegründet. Sie orientierte sich an einer ähnlichen, aus Frankreich stammenden Vereinigung, mit der Büchner während seiner Zeit in Straßburg (1831-1833) in Berührung kam. Ziel dieser Gruppe war die Republikanisierung Deutschlands durch einen Massenaufstand. Büchners Verein stand in Kontakt mit anderen Organisationen wie der Frankfurter Union, mit der Friedrich Ludwig Weidig, Mitverfasser des Hessischen Landboten, in Kontakt stand.
Am 3. Juli 1834 trafen sich Oppositionelle auf der Badenburg bei Gießen. Diese kamen hauptsächlich aus Gießen, Butzbach und Marburg. Aus ihnen entstand ein weiterer Verein, der sich Oberhessischer Preßverein nannte. Beide Auflagen des später verfassten Hessischen Landboten wurden von Mitgliedern des Preßvereins gedruckt und verbreitet.
Der Hessische Landbote
Büchner verfasste im März 1834 den ersten Entwurf des Hessischen Landboten. Büchners Freund August Becker, zugleich ein Mitglied der Gesellschaft der Menschenrechte, schrieb den Entwurf ab und brachte diesen Ende April von Gießen nach Butzbach zu Weidig. Dieser überarbeitete das Manuskript und ergänzte eigene Passagen, ohne sich mit den anderen Mitgliedern und vor allem mit Büchner abzustimmen. Bei einem gemeinsamen Treffen auf der Badenburg legte Büchner Einspruch gegen die Änderungen Weidigs ein. Letztlich wurden Büchners Einwände ignoriert und man beschloss, die von Weidig veränderte Version zu drucken und zu verbreiten.
Ausschließlich August Becker kannte sowohl den ersten Entwurf als auch die gedruckte Version. Durch Beckers spätere Aussagen im Verhör (1837) wurde bekannt, dass Büchner ungefähr zwei Drittel der Flugschrift verfasst hat. Von Weidig stammen laut Becker „der Titel, der Vorbericht, die Bibelstellen, eine Passage über ‚die Wirksamkeit der konstitutionellen Verfassung‘ und der Schluss.“ (siehe Beise, Fischer, Funk (Hrsg.): Büchner: Werke und Briefe, S. 231f.)
Büchner und der Student Jakob Friedrich Schütz brachten die Druckvorlage im Juli 1834 gemeinsam von Butzbach in die Bredesche Druckerei von Carl Preller nach Offenbach, wo die Flugschrift ungefähr 1200-mal gedruckt wurde (vgl. ebd., S. 214).
„Friede den Hüten, Krieg den Palästen!“ Genaue Angaben über die Verbreitung, die Rezeption und die Wirkung bei den hessischen Bauern gibt es allerdings nicht. Eine zweite Auflage erschien rund zwei Monate später im November 1834 und wurde in einer Stückzahl von 400 Exemplaren in der Druckerei Elwert in Marburg gedruckt. Büchner war an dieser zweiten Version im Gegensatz zu Weidig nicht mehr beteiligt (vgl. ebd., S. 215).
Büchner und seine Mitstreiter wollten die Landbevölkerung mit der Verbreitung des Hessischen Landboten zum Kampf gegen die adlige Oberschicht aufrufen.
Die Flugschrift beginnt mit einigen Hinweisen zum Umgang mit dem Dokument, einer Art Belehrung, welche den Leser vor polizeilichen Zugriff schützen sollte. Um die einfache Bevölkerung gezielt zu mobilisieren, verwendeten Büchner und Weidig sprachliche Bilder, die der Bibel entlehnt waren.
Im Hauptteil der Schrift geht es um die Machtverteilung zwischen Bauern und Adel. Um diese zu verdeutlichen, wird auf die biblische Schöpfungsgeschichte zurückgegriffen. Das soziale Gefüge einer göttlichen Ordnung steht hier im schroffen Gegensatz zu adliger Willkürherrschaft und Ausbeutung. Diese biblische Bildsprache wird zudem durch statistisches Material ergänzt. In weiteren Passagen wird genau aufgelistet, welche Steuern von der Bevölkerung jährlich zu zahlen sind. Die staatliche Steuerpolitik wird hinterfragt, angeprangert und mit einer demokratischen Forderung konfrontiert: Der Staat seien „Alle“ und Gesetze müssten das Wohl „Aller“ sichern. Im tatsächlichen Staat jedoch herrscht der Adel, die finanzielle Last tragen jedoch ausschließlich Bauern und Handwerker.
Eine weitere Passage befasst sich mit dem hessischen Großherzog und seinem Anspruch auf Gottesgnadentum. In der Flugschrift wird erklärt, dass nur der Kaiser im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation von Gott auserwählt worden sei. Die Fürsten jedoch würden mit Intrigen und Verrat die Macht an sich reißen.
Der Schlussteil der Flugschrift ruft zum Kampf auf, verbunden mit dem Ausblick auf eine bessere Zukunft. Der Hessische Landbote endet mit einem Gebet, welches um Gerechtigkeit und Zerstörung der Fürstenmacht bittet.
Herr, zerbrich den Stecken unserer Treiber und laß dein Reich zu uns kommen, das Reich der Gerechtigkeit. Amen. MA, S. 64.
Literaturverzeichnis:
Büchner-Portal: Der Hessische Landbote: http://buechnerportal.de/aufsaetze/der-hessische-landbote/ (Stand: 04.10.2019)
Georg Büchner. Werke und Briefe. Hrsg. v. Arnd Beise, Tilman Fischer, Gerald Funk: Darmstadt: Lambert Schneider 2013.
Georg Büchner: Werke und Briefe. Müchner Ausgabe. Hrsg. v. Karl Pörnbacher, Gerhard Schaub, Hans-Joachim Simm und Edda Ziegler. 15. Aufl. München: dtv 2015. [=MA]